Impuls für die Gebetskette am 19. April 2020

Das Osterfest liegt hinter uns. Für viele von uns war es das erste Mal, dass wir es ohne einen Gottesdienstbesuch in der Kirche feiern mussten. Vielleicht haben wir Fernseh- oder Onlinegottesdienste gehört und gesehen, haben im Netz hier und da gestöbert, um dennoch eine österliche Botschaft zu empfangen. Vielen von uns hat trotzdem die Gemeinschaft gefehlt.

Dennoch stellt sich mir in diesen Wochen der geschlossenen Kirchen die Frage: was brauche ich eigentlich, um meinen Glauben zu leben und zu nähren? Und welche Formen könnte ich in dieser Zeit neu für mich entdecken, um Spiritualität zu leben und zu gestalten? Was gibt mir Halt, gerade in dieser Zeit, in der ich mit so vielen neuen Gegebenheiten und Fragen konfrontiert bin und in der der vermeintlich sichere Boden unter meinen Füßen durch die äußeren Bedingungen kräftig ins Wanken geraten ist!

Martin Luther schrieb uns ProtestantInnen den Gedanken des „Priestertums aller Gläubigen“ in unser Kursbuch. Das war eine seiner ganz zentralen Erkenntnisse, dass wir zu Gott keine Vermittlung durch Priester brauchen, sondern, dass jede/r Einzelne den direkten Kontakt zu Gott suchen kann und soll.

Ich glaube, davon ist vieles bei uns verloren gegangen. Alltagsrituale, wie Tischgebete, Beten überhaupt, das Segnen an der Haustür, wenn sich jemand auf den Weg macht, der Segen über dem noch frischen Brot … so vieles ist bei uns vielfach eingeschlafen. 

Vielleicht ist diese besondere Zeit eine gute Gelegenheit, dafür neue Formen in meinem Leben zu entwickeln.

Ja, die Kirchen sind geschlossen, Gottesdienste müssen ausfallen. Aber mein österliches Vertrauen zu nähren, dass mein Leben gehalten ist im Leben und im Tod, gerade auch in diesen schwierigen Zeiten, das kann ich trotzdem leben. Kann mir dafür täglich Zeit nehmen, am Morgen oder am Abend, eine Kerze anzünden, stillwerden, lauschen, Sorgen und Ängste benennen und sie immer wieder bewusst  loslassen, mich mit anderen innerlich verbinden (z.B. täglich um 19 Uhr, wenn die Glocken läuten), anderen und unserer Erde Heilung wünschen, sie segnen. Oder in die Natur gehen, vor einer Blüte halt machen, staunen, danken, mich ganz bewusst als Teil dieser Schöpfung wahrnehmen, Verbundenheit spüren mit allem. 

Vielleicht können uns auch  die Gebete, die ich im Folgenden abdrucke, zu täglichen Begleitern werden, die unseren Tag strukturieren und uns helfen, bewusster zu leben.

Ich möchte uns diese Zeit der verordneten Kirchenschließung als Chance ans Herz legen. Als Chance, meine eigene Frömmigkeit wieder mehr zu beleben, meinem Vertrauen nachzuspüren und nach Formen der Gestaltung zu suchen, die für mich stimmig sind und zu mir passen.

Friederike Wilberg